Einleitung
Der Bundesgerichtshof hat sich am 8. Februar 2019 unter dem Az. V ZR 176/17 zu der Frage des Wegfalls einer zeitlich unbegrenzten Wohnungssozialbindungsverpflichtung zugunsten einer Kommune in einem abschließenden Urteil geäußert.
Dieses Urteil wurde mit großer medialer Aufmerksamkeit verfolgt, da es zur gefühlten Unzeit kam, weil offenbar der Eindruck entstanden war, dass hier gegen einen aktuellen gesellschaftlichen Trend und allgemeine öffentliche Interessen geurteilt wurde. Dies war aber nicht der Fall, verhandelt wurde hier ein Streitfall, der Mitte der 90er Jahre unter dubiosen Umständen zu Stande kam und in seiner Widersprüchlichkeit förmlich nach einer abschließenden Klärung gesucht hat. Dieser Fall ist auch ein Stück komplizierte Rechtsgeschichte und ein schönes anschauliches Beispiel für eine gewollt fehlerhafte Umsetzung eines ordnungspolitischen Instruments zur öffentlichen Wohnraumversorgung. Da sich dem Normalbürger dieser intensive Zusammenhang in den üblichen Kurzmeldungen im 1-Minute-30-Format zu einem neuen BGH-Urteil nicht auf Anhieb erschließen kann, sollen diese Ausführungen als ergänzende Gegenquelle zur Verfügung gestellt werden, um ein tieferes Verständnis der Komplexität zu ermöglichen. Stilistisch verlassen wir absichtlich ein wenig den Weg der "seriösen" Mitteilung und widmen uns einer eher provokativen Darstellung, damit die Kernproblematik dieses Falles anschaulicher wird. Der Autor dieser Zeilen ist auch gleichzeitig Kläger in diesem Verfahren und kennt die lokalen Zusammenhänge dieses Falles aus eigener Anschauung recht gut, genau genommen sogar von Anbeginn, nämlich dem Kauf der besagten Wohnanlage von einer hannoverschen Entwicklungsgesellschaft im Jahre 1995.
Zunächst müssen wir noch einmal die allgemeinen Grundlagen der Sozialbindung im Wohnungsbau erörtern und unter spezieller Betrachtung dieses Falles auf den Prüfstand stellen.
Das Instrument der Belegrechtsbindung bei staatlich geförderten Wohnungen ist ein legitimes ordnungspolitisches Mittel des Staates, um seiner sozialen Fürsorgepflicht im Bereich Wohnen nachzukommen und eine konkrete Hilfestellung bei der Wohnraumversorgung benachteiligten, bzw. auf öffentliche Hilfe angewiesener Personenkreise leisten zu können. Kommunale Belegrechte haben zwei Hauptwirkungen, nämlich betroffenen Personenkreisen mit, nennen wir es mal, „Zugangsschwierigkeiten“ eine Wohnraumversorgung zu ermöglichen und in dieser Kombination noch eine unterhalb des örtlichen Marktniveaus liegende günstige Miete zuordnen zu können. Dieses Paket ist gut und sinnvoll und hat sich bislang für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft seit Jahrzehnten bewährt, womit sich nur noch die Frage stellt, wer es konkret ausführt und wer es bezahlt. Der BGH hat allerdings in einem anderen Urteil vom 14.9.2018 (Az. V ZR 165/17) nochmals bestätigt, dass ein sogenanntes kommunales Belegrecht z.B. beim Verkauf einer Wohnanlage einen erheblichen Rechtsmangel darstellt, der einem potentiellen Käufer als negative Eigenschaft vorab mitgeteilt werden muss. Das mag zunächst hart und herzlos klingen und manche Betroffene mögen sich durch diese juristische Formulierung auch zu Recht beleidigt fühlen, aber es ist nun mal eine offizielle Rechtsfeststellung, die auch der Realität entspricht. Pauschal gesprochen ist es eine Binsenweisheit, dass die betroffenen Personenkreise einen statistisch höheren Verwaltungsaufwand und höhere Instandsetzungsaufwendungen erwarten lassen. Soziale Schieflagen, die in solchen Wohnanlagen entstehen können, weil die Vermieter nicht mehr vollwertig über die Zusammensetzung ihrer Mietergruppen selbst entscheiden können, sondern man sich hier kommunalem Durchgriffsrecht beugen muss, liegen auf der Hand. Durch zusätzlich dauerhaft niedrig festgelegte Mieten schmälert sich ebenfalls die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer solchen Bauinvestition.
Kurzum, dieses Paket ist in der freien Wohnungswirtschaft nicht besonders beliebt und war es auch nie, es sei denn, es gibt attraktive finanzielle Anreize durch staatliche Förderung. Diese notwendigen und gut gemeinten Förderinstrumente können aber auch zu Fehlentwicklungen führen, weil Geld häufig auch erfinderisch machen kann, wie in dem vorliegenden Fall in besonderer Weise (- dazu später mehr). Es ist also seit Jahrzehnten gängige Praxis, dass sich der Staat Sozialwohnungen etwas kosten lassen muss, freiwillig macht das keiner, es gilt vereinfacht ausgedrückt das Prinzip „Kröte schlucken gegen Entschädigung“. Nach gängigem Rechtsverständnis geht es hier in erster Linie nicht um Moral und gesellschaftliche Verpflichtung, sondern im Kern um ein ausgewogenes kaufmännisches Gleichgewichtsprinzip. Wer Fördermittel abgreift und nichts leistet, liegt falsch und wer Leistung verlangt, die er nicht, oder nicht mehr gefördert hat, liegt auch daneben. Das bedeutet, dass einer endlichen ausgezahlten Wohnungsbauförderung auch eine endliche Gegenleistungsverpflichtung gegenübersteht und zwar im Konkreten so lange, bis die Förderung durch die Gegenleistung aufgebraucht ist. Diesem Gedanken folgend ist es schon jetzt geradezu absurd, dass eine Sozialbindungsverpflichtung ewig bestehen soll. Der Begriff ewig, bzw. in seiner harmlosen Kodierung „zeitlich nicht begrenzt“ sprengt nun völlig die Vorstellung der konkreten Umsetzung. Ist damit die Standzeit des Gebäudes gemeint, oder 50, 99 oder mehr Jahre? Wie könnte man diese ewige Leistungsschuld abtragen, bzw. tilgen, ohne einen unbestrittenen dauerhaften, ökonomischen Nachteil „im Pelz“ zu haben? Das wäre die Erbsünde der Wohnungswirtschaft.
Übliche Wohnungsbauförderungen gehen von einem übersichtlichen Zeitraum aus, der in der Regel 15 bis 20 Jahren umfasst und der ggf. noch mit einer geringen Nachwirkungsfrist von z.B. 3 Jahren verlängert wird. Die zukünftigen Mieterlöse mit den jeweils fördermodellabhängig zugelassenen Mietpreissteigerungen in Bezug auf die einkommensabhängig geförderten Personenkreise sind für diesen Zeitraum ebenfalls in der entsprechenden Förderung definiert und Grundlage des Fördervertrages. Ein ggf. verbilligter Kaufpreisanreiz des Grundstückes kann in dieses Modell ebenfalls transparent mit eingepreist werden. Somit lässt sich dieses Paket im ersten Ansatz bei der Kauf- und Förderannahmeentscheidung relativ gut abstrakt rechnen, wobei globale Risiken wie z.B. die allgemeine Nachfrage oder die Zinsentwicklung, sowie der Abnutzungsentwicklung und die daraus folgenden Nachinvestitionsverpflichtungen über einen Zeitraum von über 20 Jahren aus Erfahrung tendenziell eher zu Lasten des Wohnungsunternehmens gehen.
Je freier und unabhängiger das Wohnungsunternehmen bzw. der Investor oder Bauherr ist, desto geringer ist seine Neigung, sich eine solche langfristige Förderung mit ungemütlichen Nebenwirkungen zuzumuten. Das war in den 90er Jahren noch nicht so deutlich zu erkennen, man konnte durchaus Glück haben, mit einer Kommune auf Augenhöhe eine ordentliche Win-win-Situation zu erzielen. Diese Zeiten sind vorbei, auf die Gründe muss nicht näher eingegangen werden. Momentan schmelzen dem Staat Sozialwohnungen weg wie Schnee in der Sonne, freie Investoren sehen deutliche Nachteile gegenüber den geringen Vorteilen. Das wird sich bei der jetzigen zu erwartenden gesellschaftlichen Entwicklung auch absehbar nicht ändern, dem Staat stünde nur der Ausweg einer enteignungsähnlichen Gesamtstrategie zur Verfügung, die man der Wohnungswirtschaft dann als „Wohnungspakt“ verkaufen, bzw. aufzwingen müsste. Soweit sind wir noch nicht.
Um den großen Bogen wieder zum konkreten Fall hin zu bewegen, möchten wir nun den Fokus auf die sogenannten kommunalen Wohnungsunternehmen lenken. Diese kommunalen Wohnungsunternehmen sind so eine Art Hybrid aus freien Unternehmen und Staatskolchosen, sie sind ein Zwitter aus kommunalem Erfüllungsgehilfen und Problemlöser im Scheingewand der Marktwirtschaft. Kommunale Wohnungsunternehmen entstammen einer legitimen Konstruktion, dass der Staat, bzw. die Kommune seine sozialen wohnungswirtschaftlichen Pflichten quasi in Eigenregie erfüllt und diese Aufgabe mit Mechanismen löst, die er selbst beeinflussen kann. Soweit so gut. Diese kommunalen Unternehmen gehören meist der Stadt bzw. der Gemeinde, dem Landkreis oder dem Land, und unter den Gesellschaftern findet sich üblicherweise auch die eine oder andere Sparkasse wieder. In den Aufsichtsräten sitzen ohne große Überraschung meist die gleichen Bürgermeister, Behördenleiter und Hauptverantwortlichen der entsprechenden Anteilseigner. Auch hier könnte man noch von einem gesunden Interessensausgleich auch im Sinne der Öffentlichkeit sprechen, wenn dann nicht noch die fatale Tendenz zur Hybris und Filzbildung hinzukäme. Der geneigte Leser ahnt, dass es nun immer konkreter wird.
Wenn nun immer weniger freie Unternehmen bereit sind, Wohnungsbauförderungen in Kauf zu nehmen und auf der anderen Seite immer größere werdende öffentliche Versorgungsengpässe entstehen, die z.B. aktuell auch durch die Migrationskrise angefacht werden, muss die Kommune handeln und findet seinen schnellsten und widerstandslosesten Weg in einem Ausbau der eigenen kommunalen Wohnungsunternehmen. Für diesen Ausbau stehen der öffentlichen Hand zwei wirkungsvolle Hebel zur Verfügung, über die der freie Markt nicht verfügt. Die Kommune kann erstens staatliche Wohnungsbaufördermittel seinen eigenen kommunalen Wohnungsunternehmen zuschieben, d.h. der Staat kann sich quasi selbst fördern und zweitens kann er die Verteilung von Baugrundstücken ebenfalls nach seiner Interessenslage steuern. Offiziell darf eine Kommune so etwas natürlich nicht machen, aber wo ein Wille ist, ist meist auch ein ungeahnter Zauberweg der Gestaltungsmöglichkeiten vorhanden, wenn denn alle Beteiligten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten und die Öffentlichkeit davon nichts mitbekommt. Aus dem Baukasten der Möglichkeiten seien hier nur manipulierte Ausschreibungen erwähnt, sowie sonderbare Förderverträge mit Nebenabreden, die zumindest der Form nach den oberflächlichen Anschein von Korrektheit erwecken. Durch solche „Marktkorrekturen“ ist es kommunalen Wohnungsunternehmen mittlerweile auch möglich, hochwertigen Wohnungsbau auf sogenannten „Filet-Grundstücken“ in guten Lagen im gehobenen Preissegment am Markt anzubieten und somit die eigene soziale Wohnungsbausparte indirekt zu refinanzieren. Das ist prinzipiell nicht unzulässig, zeigt aber deutlich die Kreativität der Stilblütenentwicklung.
Wir versetzen uns zurück in das Jahr 1995, in dem Jahr als die Wohnungsanlage des vorliegenden Falles gefördert wurde. Von Migrationskrise gab es weit und breit keine Spur, die allgemeinen Zinsen lagen noch auf historischem Rekordhöchstniveau. Der Staat investierte noch relativ viel Geld in die Wohnungsbauförderung und es hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits im schillernden Gewand der sozialen Wohltat spezielle Unternehmen entwickelt, die sich auf den Abgriff der üppigen Fördermittel spezialisiert hatten. Es herrschte Goldgräberstimmung. Diese Unternehmen hielten sich imagemäßig meist in der Nähe der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auf, an die Fördermittel aus den o.g. Gründen schon immer reichlich geflossen sind. Eines dieser Unternehmen grätschte nun in eine kommunal gesteuerte Grundstücksvergabe hinein, indem es die gleichen Fördermittel in einem neuen Baufeld abzweigen konnte, wie die kommunale Wohnungsgesellschaft auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das war eigentlich ein Geschäft unter Insidern, der öffentliche Markt, so auch die freien Unternehmen und Genossenschaften hatten da eigentlich nichts zu suchen und so viel Förderung hätte man auch einem Nicht-Insider nicht gegönnt. Das wäre aus Sicht der Kommune Ressourcenverschwendung gewesen. Es kam zu einem folgenschweren Betriebsunfall. Das am Deal beteiligte Wohnungsunternehmen verkaufte, nachdem es sich die Fördermittel gesichert hatte, am Tag des Richtfestes das Objekt an die Klägerin weiter, was für den Verkäufer zu einer grandiosen, punktgenauen Kapitalisierung der Fördermittel ohne weitere Erfüllungsverpflichtung geführt hatte. Der Klägerin waren die damals üblichen Förderbedingungen der gängigen Wohnungsbauförderungspraxis geläufig, allerdings gab es durch eine raffinierte Vertragsgestaltung ein Verstrickungskonstrukt von Nebenabreden, in dem man unliebsame Details, wie z.B. das zeitlich unbegrenzte Belegungsrecht, relativ trickreich versteckt hatte, weil die Existenz dieser Regelung außerhalb des damalig beteiligten Zirkels bis zum heutigen Tage eigentlich unbekannt war und man nicht ahnen konnte, was in der Kaufübernahmeverpflichtung noch zusätzlich enthalten war. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin buchstäblich ein „Haus mit Leiche im Keller“ gekauft.
Was bedeutet dieser Fall jetzt konkret?
Der Übeltäter war aus Sicht aller Beteiligten der Geschäftsführer des damaligen Wohnungsentwicklungsunternehmens, welcher aus einem Geschäft noch ein weiteres Geschäft, einen ganz großen Deal gemacht hat. Die Klägerin, also die Genossenschaft zählt sich der Einfachheit halber zum damals unerfahrenen, treugläubigen Opfer dieser Transaktion. An dem Vorgang beteiligt waren weiterhin die Stadt Langenhagen, der Landkreis, bzw. die heutige Rechtsnachfolgerin Region Hannover, die Treuhandstelle, bzw. als Rechtsnachfolgerin die heutige N-Bank und dunkle Kanäle, die weit in das Ministerium hineinreichen müssen. Aus zahlreichen Gesprächen, die die Klägerin im Laufe der Jahre mit allen Beteiligten geführt hat, lässt sich die persönliche Gewissheit ableiten, dass alle in das Förderverfahren involvierten Teilnehmer von Anfang an genau wussten, was gespielt wurde. Dieser Vorgang wurde trotz zahlreicher Bemühungen der Klägerin nach einem konstruktiven Ausweg behindert, blockiert und in seiner Tiefe und Bandbreite über 20 Jahre systematisch vertuscht. Das lässt erahnen, dass sich alle Beteiligten über die Brisanz und die potentielle Illegalität im Klaren waren und darauf hofften, dass es zu keiner Aufklärung kommen sollte. Die Klägerin hatte in dieser Angelegenheit zweimal den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen Herrn Weil persönlich angeschrieben und um konstruktive Hilfe gebeten, wobei nach telefonischer Auskunft des Vorzimmers eine Beantwortung abgelehnt wurde. Unter vorgehaltener Hand wurde die Information bekannt, dass auf Anweisung des MP der ganze Fördervorgang bei der N-Bank noch einmal auf formale Fehler „durchgefräst“ werden musste. Natürlich wurde auf der „Belegebene“ nichts gefunden, hier waren Profis am Werk, im Nachhinein wissen wir, dass das Zentrum des „Deals“ an anderer Stelle versteckt liegt. Interessant wäre eigentlich in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, wer diese offenbar recht komplexe Förderpraxis in ihrer Gesamtheit orchestriert hat. Gab es einen zentralen Koordinator oder eine auf staatlicher, bzw. auf privatwirtschaftlicher Ebene ausgetüftelte Blaupause? Wie viele Fälle gibt es noch, die nach gleichem oder ähnlichem Muster in den 90er Jahren abgewickelt wurden? Wenn die Klägerin ein Einzelfall wäre, hätte sich der BGH damit nicht beschäftigt. Wir wissen es nicht und es interessiert uns heute auch nicht mehr, damit können sich andere beschäftigen, wenn sie Interesse haben oder es von Amts wegen tun müssen. Überrascht wurden wir auch durch die damaligen Vorinstanzen, nämlich dem Landgericht Hannover und dem OLG Celle, die in dieser Angelegenheit trotz eines von uns vorgelegten erstklassigen Gutachtens ein auffallendes fachliches Desinteresse zeigten und ihren Fokus eigentlich nur in eine Verhinderungstaktik gelegt hatten, damit dieser Fall nicht beim Bundesgerichtshof landet. Die Chancen des erstinstanzlichen Revisionsgerichts standen eigentlich nicht schlecht, schließlich gelangen aufgrund von Überlastung anhängiger Verfahren aktuell nur rund 10% aller berechtigten Fälle beim BGH in eine zugelassene Revision. Aber die Gegenseite kann auch mal Pech haben, was für die Aufklärung dieser Sache von unschätzbarem Wert ist, denn um Haaresbreite wäre dieser Fall in der rechtsstaatlichen Versenkung falscher Urteile für immer verschwunden.
Warum hat die Wohnungsgenossenschaft Gartenheim eG eigentlich geklagt?
Um diese Frage zu beantworten, kommt man auch um eine gewisse Gemütseinschätzung nicht herum. Anfänglich fühlt man sich durch einen damaligen Geschäftspartner im Nachhinein hereingelegt und betrogen und glaubt, dass man insbesondere mit den beteiligten öffentlichen Stellen diese Situation konstruktiv besprechen und eine faire Lösung verhandeln kann, mit der alle Parteien gut leben können. Selbst wenn es auf der anderen Seite „Ungereimtheiten“ gegeben haben sollte, meint man, dass die Gegenseite auch ein Interesse daran haben müsste, den Ball flach zu halten und die Angelegenheit diskret zu regeln. Irgendwann steht man vor einer Wand, alle sind gegen einen, jeder behauptet, einen nicht zu verstehen, man hätte so etwas noch nie gehört. Man spürt die staatsautoritäre Unverschämtheit, mir der man sich verbittet, überhaupt einen solchen Fall in Frage zu stellen. Es stellt sich das beabsichtigte Gefühl von Ohnmacht ein, man sieht sich als klapprigen Don Quichotte, als lächerlichen Einzelfall, der zu blöd zum Lesen ist, einen, der sich weigert, die Weisheit und die Richtigkeit einer staatlichen Beurteilung zu akzeptieren. Dann kommt der berühmte Urinwert, man weiß, dass die anderen mit einem nur ein übles Spiel treiben, man hat gute Berater, die den eigenen Verdacht unterstützen, der Fall fängt an, einen herauszufordern. Ab jetzt geht es eigentlich gar nicht mehr um irgendein konkretes Detail oder um eine konkrete Zahl, jetzt geht es ums Prinzip. Das kann natürlich auch gefährlich werden, da Prinzipien mitunter einengend wirken und eine Vertunnelung fördern können. Aber ein Prinzip kann auch ein gesunder, höherer Selbstzweck sein, der im günstigen Falle zu einer großen Belohnung führt. Diese Belohnung gab es am 11. Januar 2019 um 10 Uhr im Gerichtssaal des 5. Zivilsenats am BGH in Karlsruhe. Nach der allgemeinen Einführung in den Fall erklärte die Senatsvorsitzende Frau Dr. Stresemann im zweiten Satz ihrer mündlichen Ausführung, dass es nach Einschätzung des höchsten deutschen Gerichts ein zeitlich unbefristetes Belegrecht nicht geben könne. Bingo! Klarer und deutlicher hätte man es nicht formulieren können. Die nächsten Sätze beziehen sich auf den Hinweis, man hätte als Kommune statt eines Grundstückverkaufs auch die Erbpachtvariante wählen können, wenn der Stadt an einer langfristigen Kontrolle des Grundstückes gelegen wäre. Das heißt frei übersetzt so viel, wie „ihr Idioten habt absichtlich das falsche Formular verwendet“. Man kommt tagelang aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Man freut sich, exzellente Berater an der Seite zu haben, die einem helfen, Gerechtigkeit, die einem in diesem Punkt wichtig geworden ist, wiederherzustellen, und zwar für die gesamte Branche. Ein Gefühl von Genugtuung? Ein wenig, warum nicht, aber natürlich nicht zu lange, nur im Augenblick. Man freut sich schon auf die Gesichter der Richter am OLG Celle, die den Fall wieder als Zurückweisung aus Karlsruhe mit einer klaren Zielvorgabe auf den Tisch kriegen und nochmal ganz von vorne beginnen müssen. Gut, das sind auch Profis, man wird ihnen nicht viel anmerken, die kennen ihr Berufsrisiko und gehen damit bestimmt souverän um. Aber das gute, sehr persönliche Gefühl, dass der Rechtsstaat am Ende doch wieder in Ordnung ist, möchte man im Nachhinein nicht vermissen.
Was macht Gartenheim jetzt mit dem Urteil?
Das wissen wir momentan noch nicht. Bis zur endgültigen juristischen Klärung des Einzelfalles wird es noch eine gewisse Weile dauern. Auf jeden Fall wollen wir nicht, dass die Bewohner unserer Wohnanlage Nachteile durch massive Mieterhöhungen oder einen Weiterverkauf befürchten müssen. Zurzeit beträgt in den betroffenen Häusern die Durchschnittsmiete rund 6,00 Euro pro qm. Daran wird sich erst einmal nicht viel ändern. Bisher hat die Stadt Langenhagen allerdings auch wenig Einsicht gezeigt, dass man mit einer Genossenschaft so wie in unserem Fall die letzten 23 Jahre eigentlich nicht umgehen kann. Bei der Region Hannover als operative Drehscheibe dieses Falles haben wir ebenfalls noch keine Läuterung festgestellt, auch hier klingt uns immer noch eine sehr spezielle dumpfblöd belehrende Arroganz im Ohr, mit der man uns jahrelang etwas erklären wollte, was nun offiziell als völlig falsch bestätigt wurde. Eindruck gemacht hat auch der Anwalt der Gegenseite Herr Prof. Vorwerk, der die Stadt Langenhagen beim BGH vertrat, der am Ende der mündlichen Erörterung vor die Kamera eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders trat und den Eindruck erweckte, als wäre er total erleichtert und froh, dass der BGH nun endlich diese irrige Rechtspraxis korrigiert hätte. Häh? Wir überlassen jetzt erst einmal alles dem Lauf der Dinge, alles wird sich jetzt auf ganz natürliche Art und Weise regeln und dann werden wir weitersehen.
Gibt es noch tiefergehende Informationen?
Der vorliegende Fall hat eine lange auch persönliche Historie. Viele Erkenntnisse sind erst im Laufe der Zeit gewachsen, unterstützen konnten wir uns immer nur selber. An dieser Stelle möchten wir drei Dokumente anbieten, die den Erkenntnisverlauf sowie weitere Informationen und Spekulationen immer zum jeweiligen Zeitpunkt recht gut dokumentieren:
1. SCHREIBEN AN HERRN MINISTERPRÄSIDENT WEIL VOM 23.09.2015
2. SCHREIBEN AN HERRN MINISTERPRÄSIDENT WEIL VOM 09.05.2016
3. SCHREIBEN AN HERRN BÜRGERMEISTER HEUER VOM 06.06.2018
Zusammenfassung
Am 8. Februar 2019 hat der BGH abschließend festgestellt, dass ein ewiges Belegrecht, oder nennen wir es auch juristisch korrekt „ein zeitlich unbefristetes Wohnungsbesetzungsrecht“ endgültig der Vergangenheit angehört. Der gesamte Sachverhalt stellt sich in verkürzter Form folgendermaßen dar:
Kommunale Einrichtungen haben eine ungerechtfertigte Erschleichung von Dauerbelegrechten, die einen erheblichen Rechtsmangel darstellen, wider besseren Wissens beabsichtigt. Über die aus öffentlichen Mitteln geförderte ökonomische Gegenleistung hinaus haben Kommunen versucht, sich einen langfristigen einseitigen Vorteil auf Kosten privatwirtschaftlicher Unternehmen, hier konkret einer Genossenschaft zu sichern. Über die Grenzwertigkeit dieser Praxis war sich die öffentliche Hand stets bewusst, man ist wohl jahrzehntelang dieses Risiko proaktiv eingegangen, hat sich aktiv an der Verdunkelung dieser Angelegenheit beteiligt und war zu keiner Gesprächseinsicht bereit. Das kennt man eigentlich immer nur von der Gegenseite, dass staatliche Stellen auch mal derart "unserios" unterwegs sind, ist eigentlich nicht so geläufig.
Wir danken dem Bundesgerichtshof für seine Entscheidung der klaren Vernunft, für sein nachvollziehbares und für jedermann schlüssiges Urteil, wodurch insbesondere in der Wohnungswirtschaft wieder ein Stück mehr Vertrauen in unseren Rechtsstaat hergestellt wurde.