Die Bauwirtschaft in Hannover - ein geschlossener Kreislauf

Einleitung

Wer liest schon die Geschäftsberichte einer Genossenschaft? Denkste! Wir hatten im Geschäftsbericht 2012 an dieser Stelle eine Realsatire publiziert, die von einer fiktiven Bauverwaltung  einer bundesdeutschen Hauptstadt handelt.

Der „diensthabende“ Bauminister Hirsemann (Name wurde von der Redaktion geändert) spielte in dieser Darstellung die Rolle eines Behördenchefs, der mit einem gewissen Hang zur Eitelkeit und zur Macht die von ihm abhängigen Markteilnehmer wie dressierte Bären an einem Nasenring durch die Manege führt und die Geschicke der Stadtentwicklung nach seinem Gusto gestaltet. Das wäre insofern nicht weiter zu beanstanden gewesen, wenn nicht zu viele Entscheidungen in die Kritik der Bevölkerung geraten wären und wenn sich nicht zu viele heimische Marktteilnehmer „verarscht“ vorgekommen wären.

Zu unserer Verwunderung wurde diese kleine Realsatire nicht nur von großen Kreisen des politischen Systems gelesen, wobei es besonders viel Schulterklopfen von hannoverschen Architekten gab, die in unserer Realsatire eine große Übereinstimmung mit den wirklichen, echten Verhältnissen in Hannover sahen. Zu guter Letzt wurden auch noch markante Passagen dieser Geschichte in der Tageszeitung zitiert, als es darum ging, seitenlange Kritik am „echten“ Baudezernenten zu üben. Das ist sicherlich ein Novum in unserer Branche und hat uns selbst sehr überrascht.

Sicherlich ist es ein unübersehbarer Trend in der Wohnungswirtschaft, dass Bauverwaltungen den Markt mit Ausschreibungsverfahren immer mehr „industrialisieren“. Dies ist wahrscheinlich im Ansatz dem Trend zu mehr Transparenz geschuldet, aber solche Methoden können, auch wenn sie gut gemeint sind, das Gegenteil erreichen. Der Mut zur persönlichen Entscheidung wird an ein System, bzw. ein Verfahren abgegeben, und es wird vor allem eine Monotonie der Architektur begünstigt, auch wenn es niemand so richtig wahrhaben will. Im schlimmeren Falle eröffnet der „Glaube an das gerechte Verfahren“ Missbrauch Tür und Tor, denn durch „gelenkte Ausschreibungen“ lassen sich Ergebnisse in einer Art und Weise manipulieren, die im Kern das Gegenteil von Transparenz darstellen. Insofern bleibt nicht alles beim Alten, sondern es wird bezogen auf den Verzerrungsgrad und die „Oligarchisierung“ des Marktes eher schlimmer. In der vorgenannten Realsatire hatten wir in diesem Zusammenhang den Begriff „Affenzirkus“ verwendet, was von der hiesigen Presse mit viel Heiterkeit zitatweise aufgegriffen wurde. Im letzten Geschäftsbericht 2013 hatten wir das Bild von „Pflanzen- und Fleischfressern“ verwendet, um das Phänomen etwas plastischer zu verdeutlichen. „Fleischfresser“ beschweren sich selten über einen Mangel an Artenvielfalt, wenn es darum geht, an immer mehr frische „Proteine“ heranzukommen. Ihnen ist es auch egal, sich notfalls dressieren zu lassen und „Männchen“ zu machen, Hauptsache der Profit als Kernmotivation und Handlungsmaxime stimmt. Pflanzenfresser, wie z.B. Genossenschaften, ziehen bei dieser Entwicklung immer den Kürzeren, weil sie einen anderen Auftrag und ein anderes Grundverständnis haben. Hin und wieder neigen Sie auch zu einem gewissen Selbstbewusstsein, welches sie mit ihrem sozialen Auftrag und einer langen Tradition begründen, was allerdings in einer „straff“ geführten Stadtverwaltung nicht nur Freu(n)de hervorruft.

Wir haben diesen Trend frühzeitig herausgearbeitet und unsere Geschäftsstrategie langfristig angepasst. Zurzeit können wir nicht erkennen, dass sich an dieser strukturellen Benachteiligung von Genossenschaften in absehbarer Zeit irgendetwas ändern wird. Konkret geht es hier um die Vergabemethode von neuen Grundstücken, sofern die Stadt überhaupt noch interessante Flächen zur Verfügung hat. Demzufolge ist ein größeres Engagement im Neubau, so wie wir es zuletzt bei den Projekten „VASATI“ und VASATI 2.0“ gezeigt haben, in absehbarer Zeit nicht erkennbar. Ausnahmen würden uns z.Zt. sehr überraschen.

Bislang war es die gefestigte Meinung innerhalb der Wohnungswirtschaft, dass Gebäude eine natürliche Lebensdauer haben und demzufolge fiskalisch auf z.B. 50 bis 80 Jahren abgeschrieben werden. Was nun am Ende dieser Lebensdauer genau passiert, hatte sich bislang noch nicht im dringenden Fokus von strategischen Überlegungen wiedergefunden, da dies bedingt durch die Baujahre der Immobilien meist noch Termine der fernen Zukunft waren. Nun verändert sich aber die ganze Welt (siehe vorheriges Kapitel) und diese Termine rücken immer näher. Bislang verschonte man sich in der Wohnungswirtschaft mit den Folgen solcher unbequemen Überlegungen und kommunizierte das in der Theorie recht pflegeleichte Muster: „Wenn es soweit ist, werden die alten Häuser abgerissen und dafür neue gebaut, ggf. auch an gleicher Stelle“. Dieser wohnungswirtschaftliche „Energieerhaltungssatz“ erfordert allerdings „blühende“ Randbedingungen, er ist gewissermaßen nur ein seltener Spezialfall in prosperierenden Zeiten. Genau diese Zeiten haben wir jetzt nicht und sie werden auch so schnell nicht kommen.

Eine unserer Strategien ist es, für die nächsten Jahre durch große Balkonvorbauten und ggf. durch zusätzliche Dachgeschossausbauten quasi Neubauvolumen zu realisieren, um der fortlaufenden Abschreibung des Bestandes geeignet entgegenwirken zu können. Um eine solche Entscheidung sinnvoll treffen zu können, spielen natürlich Faktoren wie der genaue Gebäudetyp, die Lage der Immobilie und die Klientel eine wichtige Rolle. Diese Art der „Neubau-Sanierung“ ist aber für die Wohnungswirtschaft zukünftig eine zwingende Option, um magere Zeiten buchtechnisch elegant zu überbrücken und das eigene Geschäftsmodell nach außen hin zu festigen. Mit der Sanierung der „Neuen Heimat“-Anlage im Sylter Weg und in der Borkumer Str. haben wir den Beweis erbracht, dass solche Sanierungen nicht nur im bewohnten Zustand sehr gut funktionieren, sondern dass die Genossenschaft mit einer solchen „Investmentstrategie“ am Markt große Aufmerksamkeit und Nachfrage erzeugt hat. Genau darum geht es immer wieder, gerade auch bei Genossenschaften. „Wer rastet, der rostet“.

Aufgrund der dargestellten Rahmenbedingungen werden wir bis auf absehbare Zeit die laufenden Einnahmen dazu verwenden, große Geldmittel wieder sinnvoll in den Bestand zu reinvestieren. In diesem Zusammenhang betrachten wir ein bislang idealtypisches (evtl. auch öffentlich ausgeschriebenes) Neubauprojekt mit all seinen „Kröten“, die man momentan zu schlucken hätte, als eine typische Fehlallokation für die Genossenschaft. Da sich der Standort einer solchen Immobilie auch nicht mehr im sehr guten bis guten, denn eher im mittleren Standortsegment befinden dürfte, käme dies einer unnötigen substantiellen Verwässerung gleich, auch wenn das neu generierte Abschreibungsvolumen buchtechnisch zunächst keinen Nachteil erkennen ließe und die Bilanz dadurch zunächst vordergründig „frische Luft“ bekäme. Eine Vernachlässigung der guten, traditionellen Bestände in Toplagen, die allerdings in die Jahre gekommen sind, wäre ein schwer zu korrigierender Fehler, den man leichtsinnig durch einen falschen Wachstumsgedanken provoziert hätte. Auch in diesem Falle gilt: „Weniger ist mehr“. In unserem Bestand gibt es für Neubauaktivitäten noch einige geeignete Nachverdichtungsflächen, die wir selbstverständlich im konstruktiven Sinne in unsere Überlegungen mit einbeziehen werden. Also kurz zusammengefasst – keine unnötige Fremdverschuldung mehr und maßvolle Verbesserung des Bestehenden – eben zum Wohle des Ganzen.